Jede Stadt hat ihre eigene Choreographie, unbewusste und offensichtliche Zentren, an denen der Puls ihrer Geschichte gemessen und die Codierung des örtlichen Selbstverständnisses ermittelt und verändert werden kann. Die Formationen des Vogelflugs waren früher das Arbeitsmaterial von Propheten und Sehern; der alltäglichen Choreographie einer Stadtbevölkerung wird kaum eine Bedeutung beigemessen. Das Projekt "Urban Mutations – Wir finden Stadt" ändert dies in Dresden für neun Tage, vom 28.10-05.11.2011.

Nach dem bekannten Prinzip, dass ein Perspektivwechsel das Gewohnte gleichzeitig wahrnehmen und verändern hilft, werden die interdisziplinären "Urban Mutations" an mehreren Orten die gewohnte Perspektive auf Dresden brechen. Das fängt beim Bahnhof an. Statt neuen Produkten sind dann auf den Werbeflächen ferne Städte zu sehen, deren minimale surreale Veränderung durch die tunesische Künstlerin Patricia Triki den Blick für den lebendigen Stadtraum schärft. Auf den Straßen drängen assoziationsreiche Portraitfotos des Ägypters Nabil Boutros den Passanten vom passiven zum aktiven Wahrnehmen.

Auf dem zentralen Dresdner Jorge-Gomondai-Platz, in einer Achse mit dem Goldenen Reiter, befindet sich das Zentrum der urbanen Intervention. Hier sind ab dem 28.10.2011 großvolumige, speziell für die Kunstaktionen entwickelte Kuben aufgebaut, worin politisch aufgeladene Performances den menschlichen Körper zwischen Individualität und Gemeinschaft, Corporate Identity und gesellschaftlicher Manipulationen thematisieren. Die Tunesierin Faten Rouissi zeigt das Vorrevolutionsstück "Bügeln der herrschaftlichen Schmutzwäsche", der Deutsche Berkan Karpat bietet eine Tomographie moralischer Ablagerungen an, und die Französin Latifa Laâbissi tanzt einen vielstimmigen Geisterreigen. Eine Anleitung zum Stadtraumsehen gibt es am Abend des 29.10. vom Libanesen Rabih Mroue mit der Lecture-Performance "Die Bewohner von Bildern". Als Begegnungszentrum während des Festivals dienen zusätzlich zur Kubenarchitektur mobile Containerelemente. Hier können Touren auf der drahtseildünnen Schwelle von virtueller und realer Stadt gebucht werden ("A-Reality" vom Franzosen Adelin Schweitzer). Außerdem bietet das Venedig-Biennale-erprobte Label "Blast Theory" städtische Verfolgungsjagden an, in denen der Besucher innerlich zwischen der Rolle des Weltverbesserers und des Terroristen hin- und hergerissen wird.

Der einzigartig hohe Beteiligungsanteil arabischer Künstler ist bei "Urban Mutations" programmatisch. Durch die Revolutionen im Mittelmeerraum bekam das politische Potential des Stadtraums ein neues Bewusstsein, das über die Puerta de Sol in Madrid längst in Europa Einzug erhalten hat. Dieses Bewusstsein könnte auch hier Plätze wieder zu partizipatorischen Begegnungszentren machen und damit das Ideal der antiken Agora wiederbeleben. Die "Urban Mutations" zeigen Ansätze dazu auf.

Ein Projekt von Art in Move und der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, im Rahmen von Fremd - 8. Festival Politik im Freien Theater.Mit freundlicher Unterstützung durch das Goethe-Institut Tunesien, die Allianz Kulturstiftung, das British Council, das Staatsschauspiel Dresden und HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste.



   

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